Anbahnung musik- und tanzkultureller Teilhabe
sowie Professionalisierung im JeKits-Programm


FAQ Qualitativ Forschen

Fragen tauchen immer wieder auf: Warum forschen wir qualitativ und nicht mit großen Zahlen? Was steckt hinter Methoden wie Grounded Theory oder Situationsanalyse?

In unseren FAQ geben wir Antworten – verständlich, knapp und immer wieder erweitert, wenn neue Fragen dazukommen.

Warum werden die Daten qualitativ und nicht quantitativ erhoben und ausgewertet und worin liegen die Hauptunterschiede? 

Quantitativ

Qualitativ

In dem Bildbeispiel werden zentrale Unterschiede zwischen quantitativer und qualitativer Forschung bereits angedeutet:

Quantitative Forschung: Messen, Überprüfen von Hypothesen, Überblick erstellen

In der quantitativen Forschung werden in der Regel Hypothesen aufgestellt und überprüft. Die Daten werden mithilfe von Umfragen oder Fragebögen erhoben, oft basierend auf großen Stichproben. Um einen Fragebogen zu erstellen, müssen die Forschenden im Vorfeld Annahmen über die am besten geeigneten Fragen und Antwortmöglichkeiten treffen. Die Befragten können dann beispielsweise zwischen „Ja“ und „Nein“ wählen, Multiple-Choice-Antworten geben oder ihre Meinung auf einer vorgegebenen Skala einordnen. Das ermöglicht nach Abschluss der Umfrage einen klaren Überblick über die statistische Verteilungen. Offene Fragen sind zwar möglich, erschweren jedoch die Analyse erheblich und werden daher in der Regel nur sparsam eingesetzt. Dadurch werden die Gründe, warum jemand eine bestimmte Antwort gegeben hat, oft auf vorgegebene Antwortmöglichkeiten reduziert und damit nur unzureichend erfasst. 

Qualitative Forschung: Verstehen, Entdecken, Theorien entwickeln

In der qualitativen Forschung wird versucht, die Motivation und Haltungen der Befragten zu verstehen. Dabei wird das Gesagte auch „zwischen den Zeilen“ analysiert, um ein tieferes Verständnis der Aussagen zu gewinnen. Die Settings in der qualitativen Forschung sind meist offen gestaltet, das heißt, es werden entweder selbstläufige Gespräche initiiert oder Interviews anhand offener Leitfragen strukturiert. Qualitative Forschungen arbeit in der Regel mit deutlich kleineren Fallzahlen. Durch die offene Struktur stoßen Forschende häufig „zufällig“ auf neue und unerwartete Erkenntnisse. Die Theoriebildung und theoretische Aussagen werden anhand empirischer Daten entwickelt.

Sind die Fallzahlen nicht viel zu klein, um relevante Aussagen zu treffen? 

Quantitative Untersuchungen auf Stichprobenbasis können einen breiten (und damit repräsentativen) Bevölkerungsquerschnitt abdecken. Die Perspektiven kleinerer Gruppen oder einzelner Individuen bleiben dabei jedoch unberücksichtigt.

Im Gegensatz dazu liegt der Fokus qualitativer Forschung auf der Rekonstruktion der Perspektiven der Akteure und der Identifikation zentraler Aspekte eines Phänomens. Das breite Methodenrepertoire der qualitativen Forschung bietet einige Möglichkeiten, auf der Grundlage überschaubarer Datenmengen bedeutsame theoretische Aussagen zu entwickeln.

In AnmuT werden z.B. die Interviewteilnehmenden durch eine gezielte Samplingstrategie sorgfältig ausgewählt. Es wird solange nach minimalen und maximalen Kontrasten gesucht, bis zusätzliche Fälle keinen zusätzlichen Erkenntnisgewinn mehr bringen. Dann gilt die Theorie als „gesättigt“ und stellt relevantes Wissen zur Lösung praktischer Probleme zur Verfügung.

Wodurch unterscheidet sich die JeKits-Begleitforschung von einer Evaluationsforschung?

Evaluationsforschung zielt darauf ab zu überprüfen, ob beispielsweise zuvor festgelegte Ziele erreicht wurden. Die Begleitforschung hingegen beschäftigt sich mit grundlegenden Fragestellungen und hat das Ziel, eine tiefere Einsicht in die Perspektiven der Akteure zu gewinnen, relevante Wirkungsfaktoren zu identifizieren und damit neue Perspektiven für die Weiterentwicklung von JeKits zu eröffnen.

Was ist die Grounded Theory – und warum arbeiten wir damit?

Die Grounded Theory Methodologie (GTM) ist ein Forschungsansatz, bei dem Theorie aus den Daten heraus entwickelt wird – ohne vorher festzulegen, was am Ende herauskommen soll. Statt mit Hypothesen zu starten, beginnen wir mit dem, was Kinder und Lehrkräfte erzählen, strukturieren und vergleichen diese Aussagen schrittweise (Kodieren), halten Ideen in Memos fest und prüfen sie im weiteren Verlauf gezielt nach. Das bedeutet: Wir überlegen nach ersten Auswertungen ganz bewusst, mit welchen Personen oder an welchen Standorten wir noch weiterforschen, um offene Fragen zu klären oder Unterschiede sichtbar zu machen (theoretisches Sampling). Dieser Prozess ist iterativ und setzt sich so lange fort, bis aus den Daten keine wirklich neuen Erkenntnisse mehr gewonnen werden können – ein Punkt, den man in der Forschung theoretische Sättigung nennt. So entsteht nach und nach ein tragfähiges Verständnis des Feldes.

Grafik: Eigene Darstellung (erstellt mit Unterstützung von ChatGPT 2025)

Die Grounded Theory als Kreislauf: Aus Interviews werden Daten gewonnen, die systematisch kodiert und in Memos reflektiert werden. Daraus entstehen neue Ideen und Fragen, die wiederum das weitere Forschen anregen. So entwickelt sich das Verständnis Schritt für Schritt weiter.

Warum passt das zur AnmuT-Studie?

Weil wir damit den vielstimmigen Perspektiven von Kindern und Lehrkräften Raum geben, Unerwartetes sichtbarmachen und Zusammenhänge begründet herausarbeiten können – transparent, reflexiv und ohne vorschnelle Schablonen.

Was ist die Situationsanalyse – und warum nutzen wir sie?

Die Situationsanalyse (SA) ist eine Weiterentwicklung der Grounded Theory. Sie hilft, komplexe Zusammenhänge sichtbar zu machen – zum Beispiel, welche Personen, Institutionen, Dinge oder Regeln im Feld wie JeKits eine Rolle spielen. Denn kulturelle Bildung ist nie nur individuell, sie findet immer in einem größeren Gefüge statt.

Dazu nutzen wir sogenannte Maps (Schaubilder), die Schritt für Schritt entstehen und verfeinert werden:

  • Situationsmaps zeigen, welche Faktoren eine Situation prägen. Dazu zählen nicht nur die beteiligten Menschen, sondern auch Räume, Zeiten, Regeln und Materialien wie Instrumente oder digitalen Medien.
  • Maps sozialer Welten und Arenen machen sichtbar, wie verschiedene Gruppen und Institutionen zusammenwirken und welche Dynamiken zwischen ihnen entstehen.
  • Positionsmaps verdeutlichen zentrale Fragen und unterschiedliche Sichtweisen innerhalb eines Feldes, ohne sie einzelnen Personen zuzuschreiben (z. B. Zugang vs. Ausschluss, Stolz vs. Scham).

So können wir besser verstehen, was kulturelle Teilhabe im Alltag bedeutet und welche Bedingungen sie fördern oder behindern.

Grafik: Eigene Darstellung (erstellt mit Unterstützung von ChatGPT 2025)

Die Situationsanalyse arbeitet mit drei Arten von Maps: Situationsmaps zeigen prägende Elemente und ihre Beziehungen, Maps sozialer Welten und Arenen verdeutlichen kollektive Strukturen, und Positionsmaps machen unterschiedliche Sichtweisen sichtbar.

Warum passt das zur AnmuT-Studie?

JeKits ist ein Gefüge aus Grund- und Förderschulen, außerschulischen Bildungspartnern, Familien, Peers, Landes- und Bildungspolitik, Musikverbänden, Räumen (Klassenräume, Aufführungsorte, Kinderzimmer) und Dingen (Instrumente, digitalen Medien). Die Situationsanalyse hilft, Ressourcen und Barrieren, Prozesse von Aushandlungen und Möglichkeitsräume sichtbar zu machen, und so unser theoretisches Sampling sowie die nächsten Erhebungsschritte gezielt zu steuern.